Formentraining im Hochschulsport des KIT

WingTsun im Hochschulsport

Christian, Schüler der Sinnesfabrik bringt Studierenden WingTsun im Hochschulsport des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) bei. Ein Erlebnisbericht.

Wie ein Schläger steht er vor mir, die linke Hand vorn zur Faust geballt, die Rechte zurück gezogen, bereit zum Schlag. Meine Hände sind offen zur Abwehr gehoben. Alles Reden und Beschwichtigen half nicht. Ich fühle mich bedroht. Die Situation eskaliert. Ich schiebe meinen linken Arm vor, kreuze so seinen Arm, kontrolliere ihn und mache einen Schritt vor in seine Flanke, während ich mit der rechten Hand schlage. Angriff ist die beste Verteidigung, wenn alle vorherigen Versuche der Konfliktvermeidung gescheitert sind. – Um mich herum stehen etwa 20 Studierende die aufmerksam beobachten was ich tue. Gleich werden sie die Situation mit einem Partner nachstellen und trainieren, während ich von Paar zu Paar gehe, korrigiere und auf Fragen eingehe.

Wir sind in einer Kampfkunsthalle im Hochschulsport des KIT und trainieren BlitzDefence, ein proaktives Programm zur Selbstverteidigung, das Großmeister Prof. Dr. sc. Keith R. Kernspecht, Leiter und Gründer der EWTO, speziell für Anfänger entwickelte. Die Partnerübung ist der dritte und letzte Teil des Trainings heute, das mit der Vermittlung von Grundlagen begann. Wie so oft wurde hier die Siu-Nim-Tao geübt, die erste Form des Wing-Tsun, die eine kleine Idee der Bewegungen der Kampfkunst vermittelt. Gefolgt von einem Fitnessprogramm, das Kraft und Ausdauer fördert und ausnahmslos alle zum Schwitzen brachte.

Dieser dreiteilige Trainingsaufbau mit Formentraining, Fitness und Partnerübung war ein Einfall von Ferry, meinem Übungsleiterkollegen und Trainingspartner. Wie alle anderen Übungsleiter auch, lernten wir uns im Hochschulsport kennen. Wir standen quasi genau da, wo unsere Teilnehmer heute stehen. Hier wurde unsere Leidenschaft für Wing-Tsun geweckt, die bis heute anhält. Wir selbst sind seit Jahren Schüler von Sifu Jo, lernen von ihm die Kampfkunst und wollen im Hochschulsport unsere Begeisterung und unser Wissen weiter geben.

“Wenn ihr das im Hochschulsport trainiert, dann macht das doch so und so.” – Ich bin im Training in der Sinnesfabrik und Sifu Jo zeigt mir anhand einer Übung, wie ich sie in kleinere Einheiten runterbrechen kann und auf welche Aspekte besonders Wert gelegt werden sollte. Er unterstütz unser Engagement im Hochschulsport uneingeschränkt und bildet uns nicht nur im Wing-Tsun aus sondern schult auch Qualitäten, die wir als Trainer brauchen. So stellt er uns manchmal inmitten einer Partnerübung mit der Frage: “Und wie würdest du das jetzt im Hochschulsport erklären?” vor eine kleine Herausforderung. Ganz einem seiner Leitsätze folgend, dass sich oft erst zeigt, ob man etwas so richtig verstanden hat, wenn man in der Lage ist, es jemand anderen in eigenen Worten zu erklären.

Mit dieser Art des Unterrichts fordert und fördert mich Sifu Jo. Er hilft mir, Zusammenhänge einzelnen Übungen und ihre Verortung im Wing-Tsun zu verstehen. – “Wing-Tsun ist komplex, nicht kompliziert,” höre ich ihn manchmal sagen. – Das klingt leichter als es ist, macht für mich aber den besonderen Reiz an der Kampfkunst aus. Und so erlebe ich tolle Aha-Momente, wenn sich ein Knoten löst und ich einen Aspekt theoretisch wie praktisch umsetzen kann – wenn auch manchmal nur bis Sifu Jo mir eine Variation der Übung anbietet und ich Theorie und Praxis wieder nicht in Einklang bringen kann. Doch ich bin dann wieder einen kleinen Schritt weiter gekommen und habe neue Ideen, die ich mit in den Hochschulsport nehmen kann, um auch andere für Wing-Tsun zu begeistern.